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Die Verbindung von mentaler Gesundheit und Spiritualität/Religion

Aktualisiert: 22. Jan.

Einführung

 

Der folgende Text basiert auf folgender wissenschaftlicher Untersuchung:


Jeserich F, Klein C, Brinkhaus B, Teut M. Sense of coherence and religion/spirituality: A systematic review and meta-analysis based on a methodical classification of instruments measuring religion/spirituality. PLoS One. 2023 Aug 3;18(8):e0289203. doi: 10.1371/journal.pone.0289203. PMID: 37535597; PMCID: PMC10399782.

 

Dem systematischen Review und der Meta-Analyse dienten 89 Studien mit insgesamt 67.913 StudienteilnehmerInnen als Grundlage für die Untersuchung.

Diese verfolgte die Frage, inwieweit der sog. 'sense of coherence' als Messparameter für die Mentale Gesundheit und Spiritualität bzw. Religion zusammenhängen.

 

Definition des 'sense of coherence’ & von Spiritualität bzw. Religion

 

Was ist der 'sense of coherence’? Auf deutsch übersetzt bedeutet es ‚Kohärenzgefühl‘. Es wird verstanden als sinn- und vertrauensbildende Ressource.


Bedeutungsgebung | Sinnfindung (engl. meaning making) sei eine wichtige Ressource für die individuelle psychologische Funktion. Ein hoher Wert im Kohärenzgefühl würde „eine grundlegende Lebensorientierung, die durch ein allgegenwärtiges, umfassendes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens gekennzeichnet ist“, widerspiegeln.


Der sense of coherence hat 3 Subskalen, mit denen dieses Konstrukt des Kohärenzgefühls gemessen wird:


1) Gefühl der Verstehbarkeit: die Reize/Ereignisse, die im Laufe des Lebens von der inneren und äußeren Umgebung ausgehen, sind strukturiert, vorhersehbar und erklärbar.


2) Gefühl der Bewältigbarkeit | Handhabbarkeit: Die Ressourcen, die einem zur Verfügung stehen, werden den Anforderungen dieser Reize gerecht.

3) Gefühl der Bedeutsamkeit | Sinnhaftigkeit: diese Anforderungen des Lebens sind Herausforderungen, die Investitionen und Engagement wert sind.



Die Autoren stellen ein interessantes Konzept vor, welches Religion und Spiritualität als Endpunkte eines kontinuierlichen Spektrums mit verschiedenen Mischformen/Hybridvarianten und fließenden Übergängen definiert (siehe Abbildung).

 


Religion und Spiritualität als Endpole auf einem Kontinuum


Religion in ihrer „reinen“ Form beziehe sich auf transzendente Sinnzuschreibungen, die in der Regel unter Rückgriff auf ein überliefertes System von moralischen Lehren, Ritualen, Praktiken und Geboten vermittelt werden, das von einem oft hierarchisch organisierten System von Spezialisten getragen werde und mehr oder weniger institutionell in der Gesellschaft verankert sei.


Der Begriff der Spiritualität beschreibe idealtypisch eher subjektive transzendente Sinnzuschreibungen, deren Vermittlung nicht unbedingt an ein festes religiöses Glaubenssystem und -praktiken gebunden sein müsse, sondern auf individuell-kreativer Zustimmung zu religiösen Konzepten und auf persönlicher Suche und Erfahrung beruhe.

 

Ergebnisse & Diskussion

 

Religion bzw. Spiritualität und das Kohärenzgefühl/‘sense of coherence‘ korrelieren statistisch signifikant miteinander, d. h., es besteht eine Verbindung zwischen Mentaler Gesundheit und den eigenen religiösen oder spirituellen Vorstellungen.


Die Autoren der Untersuchung erklären die Verbindung in erster Linie mit der emotional stabilisierenden und sinnstiftenden Funktion von Religion und Spiritualität als Ressource für ein dauerhaftes, dynamisches Gefühl von Vertrauen (sense of coherence).


Außerdem war ein weiteres signifikantes Ergebnis, dass Spiritualität im Vergleich zu Religion eine leicht stärkere Verbindung zum Kohärenzgefühl aufwies.


Dies führen die Autoren auf soziokulturelle Entwicklungen zurück: Mehr Menschen bezeichnen sich mittlerweile als spirituell, aber nicht religiös, wodurch sie den Fragebogen zu Religiosität anders beantworten als den zu Spiritualität. Säkular-rationale Vorstellungen und Werte der Selbstdarstellung stehen der traditionellen Religion eher kritisch gegenüber.


Die Wissenschaftler schlussfolgern, dass eine starke Beziehung zwischen Religion und Kohärenzgefühl davon abhängen könnte, ob und inwieweit bestimmte Konzepte der Transzendenz durch soziokulturelle Plausibilitätsstrukturen unterstützt werden, d. h., wie  viel soziale Relevanz Religion in der Bevölkerung hat, in welcher gemessen wird.


Die Ergebnisse bestätigen die Hypothese von „Religion als sozialen Wert“. Die Hypothese besagt folgendes: In religiösen Kulturen ist die Religiosität eher eine soziale Ressource für das Selbstwertgefühl als in säkularen Kulturen.


--> Wenn die Weltanschauung/Praxis von Person X kulturell eingebettet und sozial wertgeschätzt ist, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese Person X ein starkes Kohärenzgefühl hat.

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